Zeitreise im Stallhof: Warum der Mittelalter-Weihnachtsmarkt mein heimlicher Favorit ist

Okay, Hand aufs Herz. Der Striezelmarkt ist toll, keine Frage. Aber manchmal, wenn mir das „Jingle Bells“ aus den Lautsprechern zum zehnten Mal ins Ohr dröhnt und ich von einer LED-Lichterkette fast geblendet werde, brauch ich eine Pause. Ich brauch was Bodenständiges. Was, wo es nach echtem Feuer riecht und nicht nach Zuckerwatte-Maschine.
Und genau dann biege ich ab in den Stallhof.

Wenn ihr noch nie da wart: Ihr verpasst was. Der Stallhof gehört zum Residenzschloss und ist einer der wenigen noch erhaltenen Turnierplätze der Welt. Und genau hier findet in der Adventszeit der Mittelalter-Weihnachtsmarkt statt. Für mich ist das der atmosphärischste Ort in ganz Dresden zur Winterzeit.

Kein Plastik, kein Kitsch, nur echtes Handwerk

Das Erste was einem auffällt, wenn man durch das große Tor geht: Es ist dunkler.
Aber auf eine gute Art.

Hier gibt es kaum elektrisches Licht. Alles wird von Fackeln, offenen Feuerstellen und riesigen Feuerschalen beleuchtet. Das Licht flackert an den alten Mauern des Schlosses hoch und man fühlt sich sofort, als wäre man 500 Jahre in die Vergangenheit gebeamt wurden.
Die Buden hier sehen auch anders aus. Nix mit genormten Holzhütten. Hier sind es oft Zelte oder rustikale Stände, wo Schmiede, Töpfer und Filzer ihr Handwerk zeigen. Ich stand neulich bestimmt 20 Minuten einfach nur da und hab dem Schmied zugeschaut, wie er glühendes Eisen bearbeitet hat. Das hat was fast schon meditatives, finde ich.
Man findet hier auch Geschenke, die man sonst nirgends kriegt. Handgemachte Lederbeutel, geschmiedete Messer oder Klamotten aus Wolle, die wirklich warm halten. Klar, das kostet ein paar Taler mehr als der China-Import, aber dafür hält das Zeug auch ewig.

Essen und Trinken wie die alten Rittersleut

Vergesst den normalen Glühwein. Im Stallhof trinkt man Met. Oder Würzwein.
Es gibt den Met in allen Varianten – heiß, kalt, mit Kirschsaft (Wikingerblut!) oder ganz klassisch. Aber Vorsicht: Das Zeug steigt schneller in den Kopf, als man „Drachentöter“ sagen kann. Die Tassen sind hier übrigens aus Ton, was dem Ganzen noch so einen extra urigen Touch gibt. Zum Essen gibt es natürlich auch Bratwurst, aber die Highlights sind eher die deftigen Sachen. Sau vom Spieß. Suppe im Brotlaib (ein Lebensretter wenn es richtig kalt ist!).
Oder diese Teigfladen, die direkt auf den gusseisernen Öfen gebacken werden.

Was ich besonders feier: Es gibt hier keine nervige Pop-Musik. Stattdessen spielen Live-Bands auf alten Instrumenten. Dudelsäcke, Trommeln, Flöten. Manchmal laut und wild, manchmal eher ruhig. Die Musiker laufen oft auch direkt durch die Menge. Das ist eine ganz andere Energie als auf dem Neumarkt.

Der Haken an der Sache: Der Wegezoll

Jetzt kommt der Teil, den viele Touristen nicht auf dem Schirm haben und sich dann wundern. Während der Striezelmarkt kostenlos ist, muss man für den Stallhof am Wochenende Eintritt bezahlen (Wegezoll).
Unter der Woche ist es meistens frei, aber von Freitag bis Sonntag stehen die Torwächter da und halten die Hand auf. Es sind nur ein paar Euro (glaube aktuell so um die 5-6 Euro für Erwachsene), aber man sollte es wissen und Kleingeld dabei haben, auch wenn Kartenzahlung mittlerweile oft geht.

Lohnt sich der Eintritt?
Ich finde: Ja.
Allein schon, weil durch den Eintritt die Massen ein bisschen reguliert werden. Es ist zwar voll, aber irgendwie ist das Publikum entspannter. Und die Bands müssen ja auch von was leben.

Geheimtipp: Die Rauhnächte

Hier ist noch ein Insider-Tipp für euch, wenn ihr den Weihnachtstrubel eigentlich gar nicht mögt oder über die Feiertage nicht dazu gekommen seid.
Der Striezelmarkt macht am 24. Dezember dicht. Ende, aus, vorbei.
Der Stallhof aber nicht!

Nach Weihnachten geht es dort weiter mit den sogenannten Rauhnächten. Das geht meistens bis ins neue Jahr rein (Anfang Januar).
Die Stimmung ändert sich dann nochmal ein bisschen. Es geht mehr um Wahrsagerei, Mystik und den Übergang ins neue Jahr. Es ist oft viel leerer als vor Weihnachten und man kann die Atmosphäre noch besser genießen. Ich geh super gerne zwischen den Jahren hin, um einfach mal runterzukommen von dem ganzen Familien-Stress und Gänsebraten-Koma.

Der Mittelalter-Weihnachtsmarkt im Stallhof ist für mich das perfekte Kontrastprogramm. Es ist rau, es ist herzlich und es ist visuell einfach der Hammer. Zieht euch aber warm an (Zwiebelprinzip!), denn durch die alten Mauern zieht es manchmal ganz schön, und stellt euch drauf ein, dass ihr nachher ein bisschen nach Rauch riecht. Aber hey, das ist der Duft von Abenteuer, oder?
Wart ihr schonmal da und habt den Met probiert? Oder ist euch das zu düster und ihr bleibt lieber bei den bunten Lichtern?